Leipziger Buchmesse 2024
Leipziger Buchmesse 2024

Leipziger Buchmesse 2024

Rezensöhnchen @ Leipziger Buchmesse 2024 – ein Bericht unseres Besuchs

Die Leipziger Buchmesse 2024 – unter dem Motto „who’s still reading?“: 4 Tage lang, vom 21.03. bis 24.03.2024, über 5 Hallen hinweg, unter dem Hashtag #lbm2024. Das Rezensöhnchen war mittendrin, umgeben von Verlagen, Büchern, Diskussionen und dem Duft nach Crêpes.

Ein Umherrschwirren hunderter Besucher*innen, auf der Suche nach literarischer Luft

Der Eröffnungstag brachte sowohl anregende Gespräche als auch unerwartete Überraschungen mit sich – ein geistreiches Flanieren, mit folgenden Stopps:

Was ist giftig und aus Kartoffel? Toxische Pommes veröffentlicht seit Corona-Zeiten Kurzfilme auf Social Media über alles, was sie aufregt, und alles, was sie lustig findet. Auf der Leipziger Buchmesse stellte die Debütantin ihren ersten Roman Ein schönes Ausländerkind vor, in dem der Protagonist sehr an den eigenen Vater der Autorin erinnert, wie sie selbst sagte. Sie erzählt darin von der gescheiterten Integration eines Migranten und seiner Tochter, die versucht, die perfekte Migrantentochter zu sein. Toxische Pommes und ihr Roman hallen nach, allein durch den Titel des Buchs, der die Frage um schön und hässlich bzw. vermeintlich gute und schlechte Migrant*innen in den Raum stellt.

In der buchbar in Halle 4 sprachen Autor*innen wie Matthias Jügler oder Dana Grigorcea über ihre neuesten Buchveröffentlichungen, wobei Grigorcea in ihrem Roman Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen der Frage nachging, was Kunst mit uns macht und inwiefern wir unser Leben für die Kunst plündern oder wie sie überhaupt entsteht.

Beim Messestand des Carl Hanser Verlag führte Shila Behjat in einem Streitgespräch mit sich selbst, wie Feminismus und Mutterschaft zusammengehen können. Sie konkretisierte diesen widersprechenden Gedanken mit Müttern in Berlin Mitte, wo sie selbst lebt: Feminismus und berufstätig sein vs. für das eigene Kind den letzten Platz im Fußballclub sichern. Ihr Buch Söhne großziehen als Feministin ist kürzlich erschienen.

Im Schloss Gohlis im Programm des Verbunds Leipzig liest erfuhr Redaktionsmitglied Miriam, dass Marlene Streeruwitz einst Gebrauchsanweisungen geschrieben hat, bevor sie auf ihre neuen Bücher Handbuch für die Liebe und Handbuch gegen den Krieg zu sprechen kam. Ihre provokanten Thesen wie „Krieg ist Unterhaltung“ oder „Krieg ist nicht das Gegenteil von Frieden“ ließen den Inhalt ihrer Handbücher bereits erahnen. Nicht allen Zuhörenden schmeckten diese Worte – beim Versuch des unauffälligen Verlassens der Veranstaltung stellte Streeruwitz provozierend die Frage, ob wir jetzt alle heimgehen wollten. Auf den Hinweis von Seiten des Publikums, dass der Text zu lang und erschlagend sei und die österreichische Vergangenheit wenig mit der deutschen zu tun hat, reagierte die Autorin entrüstet. Es dürfte an dieser Stelle passend sein zu erwähnen, dass Streeruwitz auch Theaterautorin ist.

Einblicke hinter das Geschriebene

Auch der zweite Messetag bot eine Fülle an Veranstaltungen. Unter dem Motto „Alles außer flach“ präsentierten sich die Niederlande und Flandern, das Gastland der diesjährigen Messe. Am Stand des Gastlands durfte Redaktionsmitglied Michaela Angelo Tijssens bei einem Interview mit Stefanie Ochel, der Übersetzerin seines Romans An Rändern erleben. Das Gespräch war eine besondere Freude, wenn man den Roman bereits kennt und Aufschlüsse beispielsweise bezogen auf die genauen Hintergründe des Titels oder des Covers erhalten konnte. Man wünscht sich fast, dass dies der Lektüre vorangegangen wäre, damit man beim ersten Lesen alle Bedeutungen erkennt und den Roman in seiner Vollendung schätzt. Die Empfehlung des Romans hat sich absolut bestätigt und ist hier deshalb erneut auszusprechen.

Ein ähnliches Gespräch zu Hintergrund und Genese einer Erzählung gab es im Forum Literatur + Audio. Sergei Medvedev übersetzte und führte das Interview mit den Autorinnen Elena Malisowa und Katerina Silwanowa zu ihrem gemeinsamen Buch Du und ich und der Sommer. Eindrücklich wurde geschildert, wie die schwule Liebesgeschichte in einem sowjetischen Sommerlager, einst als Open-Source-Roman für alle verfügbar, große Aufmerksamkeit und Begeisterung in der Leser*innenschaft auslöste – dadurch aber auch die russische Regierung davon erfuhr und den Roman verbot. Die Konsequenzen für die Autorinnen sind weitreichend und zeigen, wie gravierend die Lage für queere Menschen in Russland ist. Als dann noch eine Deutschlehrerin und Schulleiterin aus dem Publikum erzählt, dass neben Goethes Werther dies das einzige Buch sei, welches sie ein zweites Mal gelesen hat, war für die Redaktionsmitglieder Michaela und Miriam der anschließende Gang zum Signiertisch mit dem Kauf des Buches klar.

Anime, Aktionsbündnisse, Autor*innen – ein buntes Programm

Abseits der Hallen 2 bis 5 feierte die Manga-Comic-Con als Teil der LBM zehnjähriges Bestehen und wartete mit einem bunten Programm voller Cosplays, Manga, Anime und Games auf. In Halle 1 schwebte man so zwischen ausgefeilten und kreativen Cosplays durch die vollen Gänge und erhaschte neben prall gefüllten Merchandise-Ständen auch einen Blick auf Yu-Gi-Oh!-Turniere und Süßigkeiten aus aller Welt. Besonders schön war dieses Jahr die New Artist Alley, in der Künstler*innen ihre eigenen Comics und Doujinshis sowie Poster, Buttons, Sticker, Anhänger, Artworks und selbstgemachten Merchandise präsentierten. Ein must-see also, wenn man neue künstlerische Talente unterstützen wollte!

Bemerkenswert war auch die Präsenz der Initiative Verlage gegen Rechts, die sich seit 2016 für einen „wachen, vielfältigen und respektvollen Literaturbetrieb“ einsetzt. Unter dem Motto „Seite an Seite“ fanden im Rahmen der Messe verschiedene Aktionen statt. So wurde bei Veranstaltungen beispielsweise über „Bücher, die wissen, wo sie stehen“ und über die Verantwortung von Verlagen bei ihrer Programmgestaltung gesprochen. Die Beteiligten suchten neben solchen Podiumsgesprächen zudem die direkte Begegnung mit Besucher*innen, unterhielten sich mit ihnen über das Aktionsbündnis und verteilten unter anderem Sticker und Lesezeichen mit weiteren Informationen.

Neben der Möglichkeit, die Verlage und ihre vielfältigen Programme näher kennenzulernen, Lesungen und Diskussionen zu lauschen und sich mit neuem Lesestoff einzudecken, bot die Leipziger Buchmesse natürlich auch wieder Gelegenheiten, seinen Lieblingsautor*innen auf Augenhöhe zu begegnen und sich das ein oder andere Autogramm für die eigene Büchersammlung zu sichern. Redaktionsmitglied Alicia machte sich deshalb zum Stand des Dumont-Verlags auf, um die Signierstunde von Caroline Wahl zu besuchen. 22 Bahnen, der bewegende Debütroman der Autorin, war im vergangenen Jahr erschienen und wurde seitdem nicht nur zu einem persönlichen Lese-Highlight, sondern unter anderem auch zum ‚Lieblingsbuch der Unabhängigen‘ erklärt. Dass aus der Signierstunde neben dem erhofften Autogramm auch ein sehr nettes Gespräch mit Caroline Wahl (die sich für ihre Leser*innen jeweils entsprechend Zeit nahm) resultierte, machte den Freitagnachmittag umso schöner.

Neben den Besuchen der verschiedenen Veranstaltungen waren die Gespräche mit den Ausstellenden außerordentlich bereichernd. Man konnte neue Verlage und ihr Programm für sich kennenlernen sowie sich mit den Mitarbeitenden von Verlagen austauschen, die man schon länger verfolgt. Besonders schön zu hören war, dass das Rezensöhnchen bekannt ist und geschätzt wird.

Bis nächstes Jahr, Leipzig!

Nach zwei Messetagen war unser diesjähriger Besuch zwar zu Ende, aber viele weitere Programmpunkte klangen vielversprechend, weitere Gespräche mit Ausstellenden haben gelockt sowie das Beisammensein einer Community, die Literatur schätzt und in der man Begeisterungen teilen kann. Um die Frage der Messe 2024 zu beantworten: Yes, we are still reading. Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr!

von Celine Buschbeck, Alicia Fuchs, Michaela Minder und Miriam Mösl

© Alicia Fuchs

Bild links: Stefanie Ochel (links), Angelo Tijssens (Mitte); Bild rechts: v. li. Katerina Silwanowa, Elena Malisowa, Sergei Medvedev (© Michaela Minder)

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